Dietmar Schiller Brennpunkt Plenum Dietmar Schiller Brennpunkt Plenum Die Präsentation von Parlamenten im Fernsehen. Britisches H ouse of Commons und Deutscher Bundestag im Vergleich Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Bundestages. 1. Auflage März 2002 Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2002 Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden 2002. Lektorat: Nadine Kinne Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.westdeutschervlg.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jeder mann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN 978-3-531-13699-8 ISBN 978-3-322-89600-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-89600-1 Inhaltsverzeichnis Vorwort von Prof. Dr. RalfRytlewski ..................................................... 9 Teilt Einleitung: Parlamente und Fernsehen ................................................... 11 1. Zur vergleichenden Analyse televisueller Öffentlichkeit: Forschungsstand und -desiderate .......................................... . 12 1.1 Ve rgleichende Studien ............................................................... . 12 1.2 Großbritannien ........................................................................... . 17 1.3 Deutschland ................................................................................ . 19 1.4 Desiderate ................................................................................... . 20 2. Präsentation von Parlamenten im Fernsehen: Ausgangshypothese, theoretische Zugänge und Begriffsbestimmungen ............................................................. . 22 2.1 Ausgangshypothese und theoretische Zugänge ......................... . 22 2.2 Begriffsbestimmungen ............................................................... . 24 3. Britisches House ofC ommons und Deutscher Bundestag im Fernsehen: Darstellung des Forschungsprojekts .................. . 26 3.1 Möglichkeiten des Parlamentsvergleichs .................................. .. 26 3.2 Fragestellungen .......................................................................... . 28 3.3 . Das komparative Untersuchungsdesign ..................................... . 28 3.4 Vier Untersuchungsebenen .............. :. ........................................ . 36 3.4.1 Genese und Entwicklung der televisuellen Präsentation .......... .. 37 3.4.2 Organisationsstruktur des televisuellen Präsentationsprozesses . 37 3.4.3 Televisuelle Präsentationsformate und die Abbildung der parlamentarischen Agenda im Fernsehen .................................. . 38 3.4.4 Televisuelle Dramaturgie parlamentarischer Inszenierungen .... . 39 3.5 Präzisierung der komparativen Ausgangshypothese ................. .. 40 4. Das komparative Untersuchungsdesign ................................ .. 42 Teil2 Parlament, Öffentlichkeit, politische Kultur: Voraussetzungen und Kontext der televisuellen Präsentation von britischem House of Commons und Deutschem Bundestag ................... 45 1. Parlamente: Begriffsbestimmung und Funktionsverständnis ............................................................... . 45 1.1 Parlamente und politischer Prozess ............................................ . 52 1.2 Parlamente und demokratische Regime im Vergleich .............. .. 54 1.2.1 Parlamentstypen ......................................................................... . 55 1.2.2 Typen demokratischer Regime: 56 Parlamentarische und präsidentielle Regierungssystem ............ . 1.2.3 Mehrheits- und Verhandlungsdemokratie (Konkurrenz-und Konsensdemokratie) .................................... .. 58 1.3 Das britische House ofCommons .............................................. . 62 1.4 Der Deutsche Bundestag ............................................................ . 67 2. Parlamente und Öffentlichkeit: Normative Verständnis, theoretische Durchdringung und massenmediale Rahmenbedingungen ............................................................... . 70 2.1 Politische Öffentlichkeit ............................................................. . 70 2.2 Parlamentsöffentlichkeit Entwicklung, Funktionen, Sphären (Formen), Ausprägungen, Handlungsbereiche und Typen ........ . 74 2.2.1 Historische Entwicklung ............................................................ . 77 2.2.2 Funktionen parlamentarischer Öffentlichkeit ............................ . 81 2.2.3 Sphären (Formen) parlamentarischer Öffentlichkeit: Binnenkommunikation und Außenkommunikation .................. .. 85 2.2.4 Ausprägungen und Handlungsbereiche parlamentarischer Öffentlichkeit: öffentlich, nichtöffentlich, vertraulich, geheim, unmittelbar und mittelbar .......................................................... . 88 2.2.5 Typen massenmedial präsentierter Öffentlichkeit: Präsenz-, Print-, Hörfunk-, Fernseh-und Internetöffentlichkeit ................ . 91 2.3 Politsche Kommunikation im Fernsehen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Bedingungen und Konsequenzen fUr die Fernsehöffentlichkeit von Parlamenten ...................................... . 94 2.3.1 Zur Typologie und Klassifikation von Massenmediensystemen 95 2.3.1.1 Großbriannien ............................................................................ . 98 2.3.1.2 Deutschland ............................................................................... . 105 2.3.2 FUnfDimensionen des Wandels politischer Fernsehkommunikation ............................................................... . 108 2.3.3 Die televisuelle Präsentation der parlamentarischen Agenda 116 3. Parlamente und politische Kultur .......................................... . 126 3.1 Politische Kultur als Code und Ausdruck des Politischen ........ .. 127 3.2 Die Komponenten und Konstituenten politisch-kultureller Ausdrucksysteme ....................................... . 136 3.2.1 Zeichen ....................................................................................... . 137 3.2.2 Symbole ...................................................................................... . 137 3.2.3 Sprache ....................................................................................... . 138 3.2.4 Ritual und Zeremoniell ............................................................. .. 140 3.2.5 Mythen ........................................................................................ . 142 3.2.6 Bilder .......................................................................................... . 144 3.3 Die politischen Kulturen Großbritanniens und Deutschlands .... . 147 3.4 Parlamentarische Politik als Inszenierung und Medienereignis .. 156 3.5 Parlamentsbauten und politische Kultur .................................... . 160 3.5.1 House ofCommons: Architektur und Zeremoniell .................... . 163 3.5.2 Der Deutsche Bundestag: Architektur und Zeremoniell ............ . 166 Teil3 Präsentation von House ofCommons und Bundestag im Fernsehen: Empirische Befunde (Vier Untersuchungsebenen) ................................ 170 1. Genese und Entwicklung der televisuellen Präsentation von House ofCommons und Bundestag ........................................ . 170 1.1 Großbritannien: "Eine kurze Geschichte ... " von Hörfunk und Fernsehen im House ofCommons .............................................. . 170 1.2 Deutschland: "Eine kurze Geschichte ... " von Fernsehen und Bundestag ................................................................................... . 182 1.3 Zusammenfassung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede .......... . 192 2. Organisationsstruktur des televisuellen Präsentationsprozesses ............................................................ . 195 2.1 Großbritannien ........................................................................... . 195 2.2 Deutschland ................................................................................ . 199 2.3 Zusammenfassung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede .......... . 201 3. Televisuelle Präsentationsformate und die Abbildung der parlamentarischen Agenda im Fernsehen ............................ .. 202 3.1 Nachrichten, Magazine, Direktübertragungen: Ein Überblick .. . 203 3.2 Die televisuelle Abbildung der parlamentarischen Agenda: Prozeduren, Themen und Akteure .............................................. . 204 3.3 Großbritannien: Programmschema und Präsentationsformate .. .. 205 3.3.1 Nachrichten ................................................................................ . 206 3.3.2 Magazine .................................................................................... . 207 3.3.3 Direktübertragungen .................................................................. . 209 3.3.4 Empirische Befunde ................................................................... . 212 3.3.4.1 "Monitoring the Public Experiment in Televising the Proceedings ofthe House ofCommons" ................................... . 212 3.3.4.2 "Cameras in the Commons. A Study for the Hansard Society" .. . 218 3.3.4.3 Andere Studien ........................................................................... . 228 3.3.5 Zusammenfassende Bewertung der empirischen Befunde ........ . 232 3.4 Deutschland: Programmschema und Präsentationsformate ....... . 234 3.4.1 Nachrichten: Überblick und empirische Befunde ..................... .. 236 3.4.2 Magazine .................................................................................... . 242 3.4.3 Direktübertragungen: Überblick und empirische Befunde ....... .. 243 3.5 Zusammenfassung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede .......... . 252 4. Images of Parliament: Decodierung der televisuellen 254 Dramaturgie parlamentarischer Inszenierungen .................. . 4.1 Zur Methodik semiologischer Fernsehanalyse .......................... .. 255 4.2 Fallstudien zur Präsentation von House ofCommons und Bundestag in den Fernsehnachrichten ....................................... .. 265 4.2.1 Großbritannien ........................................................................... . 268 4.2.1.1 Zusammenfassende Bewertung der empirischen Befunde ...... .. 291 4.2.2 Deutschland ................................................................................ . 292 4.2.2.1 Zusammenfassende Bewertung der empirischen Befunde ....... .. 325 4.2.3 Zusammenfassung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede .......... . 327 4.3 Fallstudien zur Präsentation von House ofCommons und Bundestag in Magazinsendungen .............................................. .. 332 4.3.1 Großbritannien ........................................................................... . 332 4.3.1.1 Zusammenfassende Bewertung .................................................. . 349 4.3.2 Deutschland ................................................................................ . 350 4.3.2.1 Zusammenfassende Bewertung .................................................. . 371 4.3.3 Vergleich der Befunde: Parlamentsmagazin versus Politmagazin .................................. .. 372 4.4 Fallstudien zur Live-Präsentation .............................................. . 372 4.4.1 Budget Statement (26. Nov. 1996) - Einbringung des Haushalts (2. Sep. 1998) ................................ .. 374 4.4.2 Election oft he Speaker (7. Mai 1997) - Konstituierende Sitzung des 14. Bundestages (26. Okt. 1998) I Wahl des Bundeskanzlers (27. Okt. 1998) ................................ .. 382 4.4.3 Queen's Speech/Debate on the Address (14. Mai 1997) Regierungserklärung zu Beginn einer Legislaturperiode (10. Nov. 1998) .......................................................................... . 394 4.4.4 Maastricht Debate (4. Nov. 1992)- Euro-Debatte (23. April1998) .................................................. .. 402 4.4.5 Prime Minister's Question Time (21. März 1996) - Prime Minister's Question Time (6. Mai 1998) ........................ .. 409 4.4.6 Debatte zur Luft-und Raumfahrtindustrie (28. Sep. 1995) - Bosnien-Debatte (6. Dez. 1996) ................................................ .. 413 4.4.7 Scott-Report-Statement to the House (15. feb. 1996) .............. . 420 4.4.8 Tag des Gedenkensan die Opfer des Nationalsozialismus (19. Jan. 1996) ........................................................................... .. 424 4.4.9 Zusammenfassung. ...................................................................... . 426 Teil4 Konklusion und Ausblick ......................................................................... 434 Anhang....................................................................................................... 450 Literatur .................................................................................................... 460 Vorwort Am I2. September 200I kam es zu einer ungeahnten Präsenz des Bundestages in nahezu allen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern. Neben ARD und ZDF übertrugen eine Reihe der Dritten Programme, der Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix, die Nachrichtensender n-tv und n 24 sowie Sat I, RTL, Pro sieben und Vox die Plenarsitzung des Bundestags. Anlass war die um 9 Uhr abgegebene Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Sehröder zu den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington vor dem Deutschen Bundestag. Statt die I. Lesung des Haushalts 2002 abzuhalten, nutzten Regierung und Opposition das Bundestagsplenum, um den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme auszusprechen und erste Einschätzungen der erschreckenden Ereignisse des Vortrages vorzunehmen. Die Wahl des Ortes war vorzüglich: als Forum unserer repräsentativen Demokratie konnte nur die Plenarversammlung des Bundestages diese Botschaft an die ganze Nation richten. Und nur Hörfunk und Fernsehen sind in der Lage, die flächendeckende Live-Übertragung der Sondersitzung zu gewährleisteten. Diese Symbiose von Politik und Fernsehen ist das Thema der Studie von Dietmar Schiller, die den prägnanten Titel "Brennpunkt Plenum" trägt. Gemessen an der Relevanz der Fernsehöffentlichkeit der Parlamente und trotz zahlreicher Studien, die sich im weitesten Sinne mit dem Verhältnis von modernen Parlamenten und Öffentlichkeit auseinandergesetzt haben, ist dieses Segment politischer Öffentlichkeit und Kommunikation bisher nur unzureichend untersucht worden. Wohl wurde eine publikumsbezogene Rezeptions- und Wirkungsforschung in Großbritannien durchgeftlhrt, doch mangelt es an empirischen Analysen zur televisuellen Öffentlichkeit, zur theoretischen Konzeptualisierung der Verschrän kung von parlamentarischer und televisueller Agenda sowie nicht zuletzt zur filmanalytischen Decodierung der Fernsehberichterstattung aus den Parlamenten. Schiller hat sich nicht mit einzelnen Forschungslücken beschäftigt, sondern eine breit angelegte empirisch-praktische Auslotung der parlamentarischen Öffent lichkeit im Zeitalter ihrer televisuellen Präsenz vorgelegt. Entsprechend umfassend ist sein Untersuchungskonzept geformt, welches historische, organisatorische, televisuell-quantitative und dramaturgische Aspekte aufweist. Somit werden sowohl politik-als auch kommunikationswissenschaftliche Fragestellungen behandelt. Schiller zieht die Leser in eine groß angelegte Inszenierung des Wettstreits zweier Akteure um Öffentlichkeit: auf der einen Seite die Abgeordneten, deren Auftritte von den Geschäftsordnungen der Parlamente bestimmt sind, auf der anderen Seite die Fernsehredakteure mit den Regiebilchern filr die Dramaturgie auf 10 Vorwort dem Bildschinn. Die sich daraus ergebene Frage lautet, ob die inzwischen in vielen Parlamenten übliche Fernsehberichterstattung direkt aus dem Plenum in der Lage ist, den routinierten parlamentarischen Betrieb und den wohl balancierten Parlamentsritus zu auszuhebeln. Die Untersuchung ist als Vergleich zweier Parlamente angelegt. Die komparative Anlage ennöglicht, andere Parlamente und deren televisuelle Praktiken einzubeziehen. Acht generelle Untersuchungsfragen werden in vier Untersuchungsebenen umfonnuliert, die den Forschungsgegenstand umreißen: Genese und Entwicklung der televisuellen Präsentation, Organisationsstruktur des televisuellen Präsentationsprozesses, televisuelle Präsentationsfonnate und parlamentarische Agenda sowie televisuelle Dramaturgie parlamentarischer Inszenierungen. Die Arbeit durchmisst somit das Spektrum der Theorie und Praxis politischer Öffentlichkeit und Kommunikation. Thesen, die von erheblicher Relevanz fUr die weitere Entwicklung des Parlamentarismus sind, verbinden die einzelnen Kapitel. So geht die Studie der Frage nach, ob der konstatierte Kompetenzverlust der Gesetzgebung durch Visibilitätsgewinne kompensiert werden kann. Die Untersuchungsergebnisse sprechen dafUr, von einer gesteigerten Forumseffizienz der Parlamente auszugehen, wenngleich diese in Großbritannien viel deutlicher ausgeprägt ist. Im deutschen Fall scheint das televisuelle agenda setting stärker auszufallen, da Direktübertragungen eher selten sind. Sollte man also doch fUr einen echten Parlamentskanal eintreten, der das Plenum stärker als nationale Bühne installiert? Eine weitere, weitgehend bestätigte These unterstreicht die offenbar nur wenig gebrochene Wirkung nationaler politischer Kultur, der sich auch die Fernsehdramaturgie im Plenum beugt. Die Studie liegt damit auf der Linie von Kennern der britischen Insel wie Sir Ralf Dahrendorf und Karl Rohe, die die Differenz zu Deutschland vor· allem in der politischen Kultur sehen. Eine andere These geht auf das vertrackte Problem insbesondere des deutschen Parlamen tarismus ein, im Plenum öffentlich zu debattieren, was in Ausschüssen und in Fraktionssitzungen politisch bereits entschieden ist. Aber auch die bereits beschlossene Problemlösung bedarf der öffentlichen Parlamentsentscheidung, um Gesetzeskraft zu erhalten. Höchstes Mandat der Volksvertreter oder bloßes Medienspektakel - Schillers Untersuchung lässt nur die Prognose zu, auch zukünftig mit beiden Wirkungen des Plenums zu rechnen. Die Originalität der Studie liegt in der spezifischen Kombinatorik, mit der politik- und kommunikationswissenschaftliche Frage stellungen mit all den differenten Aspekten verknüpft werden, denen sich Schiller sowohl in "dichter Beschreibung" und interpretierend als auch quantitativ nähert. Gerade in dieser Doppelperspektive gewinnt die Untersuchung der parlamen tarischen Öffentli~hkeit ihre besondere Relevanz. Prof. Dr. Ralf Rytlewski Berlin, November 2001
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