ME IN EM VEREHRTEN LEHRER PROFESSOR DR. FRIEDRICH BLOCHMANN GEWIDMET BIOLOGISCHE STUDIENBOCHER HERAUSGEGEBEN VON WALTHER SCHOENICHEN· BERLIN ================= XI BIOLOGIE DER HEMIPTEREN EINE NATURGESCHICHTE DERSCHNABELKERFE VON DR. HERMANN WEBER PRIVA TDOZENT • INSTITUT FOR PFLANZENKRANKHEITEN BONN = POPPELSDORF MIT 329 ABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1930 ISBN 978-3-642-50534-8 ISBN 978-3-642-50844-8 (eBook) DOl 10.1007/978-3-642-50844-8 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1930 BY JULIUS SPRINGER SOFTCOVER REPlUNT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1930 IN BERLIN. Vorwort. Mit dem vorliegenden Buch wird zum erstenmal der Versuch gemacht, eine in sich abgeschlossene DarsteHung der Hemipterenbiologie einem groBeren Leserkreise darzubieten. Leider ist der Verfasser nicht in der selben gliicklichen Lage wie die Bearbeiter der bereits in der gleichen Sammlung erschienenen Biologien der Schmetterlinge und der Hautfliigler, die sich an einen groBen Kreis von Liebhabern und Sammlern wenden konnten. Um so h6her ist das Entgegenkommen des Herausgebers und des Verlegers einzuschatzen, das es ermoglichte, das Buch in Umfang und Illustration den andern Biologien gleichzusteHen. Dafiir sei der Dank des Verfassers hier an erster Stelle ausgesprochen. Die Schwierigkeiten, mit denen jeder zu kampfen hat, der die Biologie einer Tiergruppe zu schreiben unternimmt, und die sich vor aHem auf die Auswahl und Begrenzung des Stoffs, sowie auf die Art der Darstellung erstrecken, k6nnen hier im einzelnen nicht dargelegt werden. Nur soviel sei gesagt, daB Vollstandigkeit in der Stoffdarbietung nicht erstrebt werden konnte, da praktische Riicksichten eine Beschrankung des Um fangs des Buches geboten erscheinen lieBen. So wurde denn in erster Linie Wert auf eine Darstellung der allgemein wichtigen Probleme gelegt und mehr mit Beispielen als mit vollstandigen Aufzahlungen und Listen gearbeitet. Vielleicht wird gerade dadurch das Buch fiir den mehr generell interessierten Biologen, den Lehrer und den Praktiker um so brauchbarer. Gerade dem Praktiker hofft der Verfasser manches bieten zU k6nnen; insbesondere auf die Kapitel iiber den Massenwechsel und die 6koiogischenBeziehungen seiin diesem Zusammenhang hingewiesen. Doch wird auch der wissenschaftlich arbeitende Entomologe auf den folgenden Seiten manches Neue finden k6nnen, das, dem eigenen Arbeitsgebiet des Verfassers entstammend, bisher noch nicht an die Offentlichkeit kam. Insbesondere gilt das von der Illustration des Buchs, die die mannig fachen Beziehungen zwischen Bau und Lebensweise aufdecken und den Text vor allem hinsichtlich der anatomischen Verhaltnisse, die dort nur gestreift werden konnten, erganzen solI. Zum SchluB m6chte der Verfasser die Gelegenheit wahrnehmen, den Herren, die durch Dbersendung von Literatur und andere Hilfe zum Zustandekommen des Buches beitrugen, herzlich zu danken. Besonders richtet sich dieser Dank an die Herren Prof. Dr. BODENHEIMER, Prof. Dr. EIDMANN, Reg.-Rat Dr. SPEYER und Dr. TITSCHACK, die die Liebens wiirdigkeit hatten, Abbildungen, Manuskripte oder Korrekturen vor der Publikation dem Verfasser zur Einsicht zur Verfiigung zu stellen. Dank gebiihrt ferner Herrn Prof. Dr. REICHENSPERGER, der einige Praparate als Vorlagen zur Verfiigung steUte und den Verfasser mit wertvollen Hin wei sen und Ratschlagen unterstiitzte. Bon n, 2. Marz 1930. DR. H. WEBER. Inhaltsverzeichnis. Seite Einfiihrung . . . . 1 Ubersicht iiber das System . . 3 Tracht. . . . . . . . . . . . 11 A. Bewegung und Sinnesleben . 15 I. Die Ortsbewegungen als mechanische Phanomene. 17 1. Schreitbewegung . . . . . . . . . . . 20 2. Klettern . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Fortbewegung im Pelz von Saugetieren . 30 4. Springen. . . . . . . . . 31 5. Bewegung auf dem Wasser. 41 6. Bewegung unter Wasser . . ~4 7. Grabbewegung . . . . . . 50 8. Flug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 9. Stridulationsbewegungen und verwandte Erscheinungen. . . . 73 10. Bewegungen zur Reinigung des Karpel'S und zur Verteilung von Sekreten. . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Das Nervensystem und die Sinnesorgane 91 1. Organe des chemischen Sinns . . . . . . . 93 2. Organe des Tastsinns . . . . . . . . . . . 101 3. Gleichgewichtsorgane . . . . . . . . . . . 103 4. Stiftfiihrende Sinnesor:gane (Skolopalorgane) . 108 5. Sehorgane . . . . . . . . . . . . . . . 1'15 m. Haltung, Bewegung und Sinnesorgane . 127 1. Karperhaltung . . . . . . . . . . . 127 2. Ortsbewegungen und Umweltfaktoren. 134 a) Schwerkraft und Bewegung . . . . 134 b) Licht und Bewegung . . . . . . . 136 c) Temperatur und Bewegung . . . . 143 d) Mechanische Reize und Bewegung . 146 e) Chemische Reize und Bewegungen. . . . . 146 f) Lebhaftigkeit der Bewegungen, Starrezustande 148 B. Del' Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . 157 I. N'ahrungswahl und Nahrungserwerb 157 1. Rauber. . . . 157 2. Algenfresser . 167 3. Pilzfresser . . 168 4. Blutsauger . . 169 5. Pflanzensauger 170 II. Nahrungsaufnahme und Nahrungsverarbeitung 182 1. Die Nahrungsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Allgemeines iiber die Organe del' Nahrungsaufnahme 182 b) Wanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Homopteren . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Die Speicheldriisen und ihr Sekret. . . . . . 216 3. Der Darm und die Verarbeitung del' Nahrung . 228 4. Nahrungsbedarf und Umweltseinfliisse. . . . . 247 Inhaltsverzeiohnis. VII Selte ill. Hautdriisen und ihrEl Sekrete. 253 1. Stinkdriisen . 253 2. Waohsdriisen 257 3. Laokdriisen . 266 4. Seidendriisen 268 IV. Atmung und Blutkreislauf 272 l. Atmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Abanderung der Atmung unter besonderen AuBenbedingungen 277 3. Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . 294 C. Geschlechtsleben nnd Entwicklung . . . . . . . 298 I. ~<\mphigonie, Oviparie und Metamorphose 298 1. Untersohiede zwisohen den Gesohleohtern 298 2. V orbereitungen zur Kopulation . . . . . 305 3. Kopulation . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Die Eier und die Eiablage . . . . . . . 331 5. Eientwioklung und Auskrieohen. . . . . . . 346 6. Fiirsorge fiir die Naohkommensohaft, Brutpflege 358 7. Die Metamorphose. . . . . . . . . . 362 a) einfaohste Form. . . . . . . . . . 362 b) andere Formen . . . . . . . . . . 380 II. Andere Formen der Fortpflanzung. 394 1. H~r;mal!hroditismus und Parthenogenese 394 2. Vlvlpane . . . . . . . . . . . . . . 399 3. Polymorphismus und Heterogonie. . . 401 III. Die Entwioklungszyklen der Aphidinen 411 1. Aphididen. . . . . . . . . . . . . . 411 2. Pemphigiden . . . . . . . . . . . . 416 3. Phylloxeriden . . . . . . . . . . . . 421 4. Chermesiden. . . . . . . . . . . . . 423 5. Entwioklungszyklen und AuBenfaktoren 426 D. Der Massenwechsel, die unbelebte UmweIt und die geographische Verbreitung. . . . . . . . . . . . . . . 430 I. Der Massenweohsel . . . . . . . . 430 1. Die Verkettung der inneren Faktoren 430 2. Die Verkettung der AuBenfaktoren . 434 3. Die Abhangigkeiten . . . . . . . . 437 4. Die Reaktionsnorm . . . . . . . . . . . 444 5. Reaktionsbasis, Reaktionsnorm und Umwelt 450 II. Reaktionsnorm und geographisohe Verbreitung 453 E. Wechselbeziehungen zur belebten Umwelt, Biozonosen. 460 I. Beziehungen der Hemipteren zu Tieren . . 460 1. Beziehungen zwisohen den Individuen einer Art 460 2. Beziehungen zu andern Tierarten . . . . . . 463 a) Symbioee und verwandte Ersoheinungen. . 464 b) Feinde und Parasiten der Hemipteren . . 468 0) Sohutzmittel. . . . . . . . . . . . . . . 481 d) Hemipteren als Rauber und Tierparaeiten . 487 II. Beziehungen zu pflanzliohen Organiemen 489 1. Hemipteren ale Pflanzenfeinde . . . . . . . . . . . . . . . 489 2. Andere Beziehungen zu pflanzliohen Organismen (Symbiose uew.) 502 III. Die Biorz;onosen und ihre Storung 509 Literaturverzeiohnis .... 518 Verzeiohnis der Gattungen. 532 Saohverzeiohnis ..... . 537 Einfiibrnng. Der Sammelbegriff "Hemiptera" (Rhynchota) ist in weiteren Kreisen .so gut wie unbekannt, vor allem im Vergleich mit den jedem Kind ver trauten Namen "Schmetterlinge" und "Kafer". Auch die deutsche Be zeichnung "Schnabelkerfe" ist nicht aus den Schulbiichern in den Sprach gebrauch iibergegangen, wohl aber sind die W orte Wanzen, Zikaden, Blattlause und Schildlause jedermann gelaufig. Schon daraus geht her vor, daB die uralte Gruppe der Hemipteren, die ihr wesentliches Merk mal, den Bau der Mundwerkzeuge, seit dem Palaozoikum fast unver andert beibehalten hat, im, iibrigen so vielgestaltig wie nur moglich ist; keine andere Insektengruppe von gleichem systematischen Rang ent halt so grundverschiedene Typen, grundverschieden nicht nur dem Bau, sondern auch der Lebensweise nacho Da gibt es gute Flieger und ganz unbewegliche Formen, gibt es Rauber, Blutsauger und Fellparasiten, Aasfresser und P£lanzenparasiten in allen Graden der Abhangigkeit von der P£lanze, Nachttiere und Sonnensiedler, unterirdisch lebende Formen, Wasserbewohner und Baumbewohner. Die Haufigkeit und den Formen reichtum der Hemipteren sowie die Verschiedenheit ihrer Lebensgewohn heiten konnen wir auf jedem Gang ins Freie feststellen. W ohl fiihren auch mitten im, Getriebe der Stadt Hemipteren ihr heimliches Leben - die Larve der Raubwanze Reduvius personatus schleicht, wie ein Schm,utz kliimpchen anzusehen, des Nachts durch unsere Wohnung, Bettwanzen nahern sich unter dem Schutz der Dunkelheit dem Schlafer, der so un vorsichtig war, nicht hinter die Bilderrahmen und in die Tapetenrisse seines Quartiers zu sehen -, drauBen in der freien Natur aber entfaltet sich erst die ganze Formenfiille des Hemipterenstammes, iiberall finden wir die Tiere selbst oder wenigstens die Spuren ihrer Tatigkeit. Der Hagrosenbusch am, Wege hat auf seinen Blattern weiBliche Flecken, Folgen des Stiches von Kleinzikaden (Typhlocyba rosae), deren Larven und Geschlechtstiere man auf der Unterseite der Blatter sitzen sehen kann. Die jungen Triebe des Holunderstrauches sind von den blaulich schwarzen dichten Kolonien der Holunderblattlaus (Aphis sambuci) wie von dunklen Ringen umgeben, krustenartig bedecken die halbkugeligen, unbeweglichen Weibchen der Schildlaus Lecanium corni die absterbenden Zweige des Pfirsichbaum,es. Auf einem Karto££el£elde sind die Blatter mit kleinen Lochern iibersat, die yom Stich einer Blindwanze (Lygus pabulinus) herriihren, auf der benachbarten Parzelle stehen Ackerboh nen, deren Stengel und Blatter dichte Massen von Blattlausen der Art Aphis fabae besetzt halten. An einem, Ulmengebiisch, dem wir begegnen, fallen zwischen den Blattern groBe, hellgriine Gallen auf. Schneiden wir . Weber, Hemipteren. 1 2 Einfiihrung. sie auf, so finden wir in ihrer weiten Hohlung neben Massen fliissiger Exkremente hellgriine .Blattlause, die der Art Schizoneura lanuginosa angehoren. Eine Pappelallee fiihrt uns dem Wald entgegen, die Pappel blatter tragen an ihren Stielen Gallen, teils blasenformig, teils eigen tiimlich spiralig gedreht; auch sie enthalten Blattlause (Pemphigus Arten) , deren Stich die Gallen hervorruft. Ein Ahorn steht zwischen den Pappeln; von seinen Blattern rieselt ununterbrochen, im Sonnen schein glanzend, ein feiner Spriihregen hernieder, der auf dem Boden groBe, klebrige Platten bildet. Die zuckerhaltige Fliissigkeit, Honigtau genannt, besteht aus den Exkremehten von groBen Blattlausen (Drepano siphum platanoides), die man in Scharen auf den Unterseiten der Blatter sitzen sieht. Ein Weg fiihrt von der LandstraBe ab in eine Fichten schonung. An den Zweigspitzen der jungen Baumchen sind wieder Ver bildungen, kleinen Tannenzapfen nicht unahnlich, zu sehen; sie sind durch Gallause, Chermesiden, hervorgerufen. Ein Bach flieBt durch den Wald, schau.mt und laBt sein Wasser an den Steinen des Ufers kreisen. 1m Wirbel treibt ein flinkes Tierchen, das sieh auf der Oberflache des Wassers zu Hause zu fiihlen scheint, ein Wasserlaufer der Gattung Velia. Auf der Oberflache des schilfumgebenen Tiimpels, dem wir nun be gegnen, treiben nah verwandte Wanzen ihr Wesen. Da gibt es die lang beinigen Gerris-Arten, die ruckweise iiber das Wasser schieBen, und Hydrometren, die langsam und bedachtig dahinschreiten. Unter Wasser kriecht am Grund der trage Wasserskorpion N epa cinerea, ein Riicken schwimmer steigt mit weit gespreizten Ruderbeinen zur Oberflache em por, um Luft zu schopfen. Und wieder ein Stiick weiter, am Waldrand, ertont ein schnarrendes Gerausch, verstummt, erhebt sich aufs neue, verstummt wieder; ein Insekt fliegt auf, ein Netzschlag bringt das Mannchen unserer kleinsten einheimischen Singzikade, Oicadetta mon tana, in unseren Besitz. An den Grasern einer Waldwiese sieht man in weitem Umkreis weiBe, schaumige Tropfchen, sie enthalten im Innern je ein griingelbes, zartes Tierchen, die Larve einer Schaumzikade (Phi laenus lineatus), deren Aftersekret das als Kuckucksspeichel bekannte Schaumtropfchen bildet. Unter den vielen Wanzen und Kleinzikaden, die wir zu Gesicht bekommen, wenn wir Wiesenpflanzen mit einem Kascher abstreifen, befindet sich haufig auch ein schwarz-rot geflecktes Tierchen, das durch seine Sprungfahigkeit auffallt - die Imago einer Schaumzikadenart Triecphora vulnerata. Der Weg fiihrt durch ein Dorf - iiber eine Gartenmauer drangt sich ein Buchsbaum, dessen Blatter blasig verkriimmt sind. Riitteln wir an den Zweigen, so springen von ihnen viele kleine griinliche Tierchen ab, die sich nach kurzem Flug wieder niederlassen - die Geschlechtstiere eines Vertreters der Psylliden, Psylla buxi. Die Verbildungen der Blatter sind aber nicht durch die Imagines, sondern durch die Larven hervorgerufen, .!lie im Friihjahr oft in riesigen Massen an Buchs zu finden sind und durch eine lange, spiralig gerollte, die Exkremente enthaltende Wachsrohre auffallen, die von ihrem Hinterende herabhangt. Wir treten in das Gewachshaus eines Gartners ein, und bei unserem Eintritt fliegen von den Pflanzen dichte Wolken winziger weiBer Insekten auf. Es sind die Geschlechtstiere der EinfUhrung. 3 weiBen Fliege, Trialeurodes vaporariorum, deren Larven und Eier an der Unterseite der Blatter der Gewachshausp£lanzen Kolonien bilden. 1m Freien konnen wir die Art nur in den heiBesten Sommermonaten beobachten; sie stammt aus den Tropen, wo die Aleurodiden in riesiger Arten-und Individuenzahl an den verschiedensten Pflanzen vorkommen, und ist wahrscheinlich mit Orchideen aus Mittelamerika bei uns ein geschleppt worden. Fast allgegenwartig sind die Hemipteren; selbst auf offenem Meere tri££t man die Halobates-Arten, als die einzigen Insekten, die sich zu wahren Meeresbewohnern umgebildet haben. Wen mochte es nicht reizen, den LebensauBerungen einer so viel gestaltigen Gruppe nachzugehen, die zwar viel weniger bunt und auf fallig als die Kafer und Schmetterlinge, aber keineswegs weniger inter essant in theoretischer und praktischer Hinsicht ist. Wir wollen versuchen, im folgenden den Problemen, die sich an die Biologie der Hemipteren kniipfen, gerecht zu werden und beginnen mit einer kurzen Ubersicht iiber das System. Wie das ganze Insektensystem, so ist auch das System del' Hemi pteren noch sehr strittig. Da es uns hier nicht auf phylogenetische Spe kulationen ankommt, sondern lediglich auf eine iibersichtliche Ordnung del' behandelten Formen, brauchen wir uns nicht in den Streit der Mei nungen zu mischen. Wir wollen uns vielmehr damit begniigen, die ein zelnen Gruppen auf Grund von HANDLIRSCHS System, unter Beriick sichtigung der Einteilung von BORNER und der von HEYMONS, nach einander aufzuzahlen und ihre wichtigsten Merkmale an Hand einiger Abbildungen anzugeben. So wird es dem Leser moglich sern, die 1m speziellen Teil genannten Formen aufzusuchen und einzuordnen. Uberordnung: Hemiptera (Rhynchota, Schnabelkerfe). Die Gruppe ist morphologisch und biologisch weit weniger einheit lich als andere Gruppen von gleichem systematischen Rang (Lepido ptera, Hymenoptera), sie enthalt Land- und Wasserbewohner von sehr verschiedenem Bau, mit fast immer unvollkommener Metamorphose. Die Mundteile bilden einen Stech- und Saugriissel, der aus einer ge gliederten Rinne besteht, welche von den 2. Maxillen gebildet wird und im Innern die zu Stechborsten umgewandelten Mandibeln und 1. Ma xillen enthalt. Die beiden hierher gehorigen Ordnungen: Hetero ptera und Homoptera sind heute scharf geschieden; sie stammen vermutlich nicht voneinander ab, sondern von einer gemeinsamen Stammgruppe, den Protohemipteren (HANDLIRSCH). Ordnung: Heteroptera (Wanzen). Die Wanzen sind- vorwiegend depresse Tiere mit freiem, meist horizontal, seltener mehr vertikal gerichtetem Kopf. Der Riissel sitzt am Vorderende des Kopfes und kann meist bauchwarts zuriickgeschlagen werden. Der Prothorax ist frei, mit einem groBen Halsschild versehen, der mitunter (Abb. 2£) eigentiim liche Erweiterungen hat. Der Mesothorax ist griiBer als der Metathorax, sein Schildchen (Scutellum) ist haufig sehr groB, den Hinterleib ganz oder teilweise iiberlappend (Abb. 9). Die Flugel sind ungleich, die Vorderfliigel (Hemielytren) 1* 4 Einfiihrung. f~st immer mit starker chitinisiertem Basalteil (Corium) versehen, fur Analteil (Clavus) von einer Falte abgegrenzt. Das Corium ist meist deutlich von dem hau tigen Endteil, der Membran, geschieden, dazwischen oft ein gelenkiger Teil, der Cuneus, eingeschoben (Abb. 1). Die Hinterfliigel sind hautig und faltbar und liegen in der Ruhe unter den Vorderfliigeln flach auf dem Hinterleibsriicken. Hebrldao Anthocorldae CapsJdae Nabldao P)'lThocoridao LYilaeldae Cotcldae Abb. 1. Vorderfliigel verschiedener Wanzen nach COMSTOCK. cl Clavus, cu Cuneus, e Embolium. Die alte Gliederung der Wanzen in Land-und Wasserwanzen (Gymnoceraten und Cryptoceraten) scheint trotz neuerer Versuche, das Gegenteil zu beweisen, berechtigt zu sein; auch die Corixiden, die "Sandaliorhynchen" BORNERS, sind offenbar nichts anderes als ein hoch spezialisiertes Endglied der Cryptoceraten. Unterordnung: Geocorisae (Gymnocerata, Landwanzen). Die Landwanzen sind landbewohnende oder auf der Oberflache des Wassers lebende Tiere mit freiliegenden, nur selten stark verkiirzten, niemals in Gruben versteckt liegenden Fiihlern. Sie werden von HANDLIRSCH in mehrere Dber familien .. eingeteilt; hier sollen nur die wichtigsten Familien genannt werden: Familie: Saldidae (Uferwanzen, Springwanzen) (Abb.2a). Vorderfliigel mit Clavus, Corium und Membran. ohne Cuneus. Familie: An thocoridae (Abb. 2b). Vorderfliigel mit deutlich geschiedener Membran, mit deutlichem Clavus und meistens mit Cuneus. Familie: Cimicidae (Bettwanzen). Kurzfliigelige, an Warmbliitern sau gende Formen (Abb. 240a). Familie: Polyctenidae (Abb. 23). Blinde Fledermausparasiten der Tro pen, deren Fiihler und Fliigel stark verkiirzt sind.