Renate Ortlieb Betrieblicher Krankenstand als personalpolitische Arena GABLER EDITION WISSENSCHAFT Betriebliche Personalpolitik Herausgegeben von Professorin Dr. Gertraude Krell Die Schriftenreihe dient der Publikation von Dissertationen und ande ren richtungweisenden Forschungsarbeiten. Die einzelnen Beitrage greifen die vielfaltigen Fragestellungen im Bereich der betrieblichen Personalpolitik auf und vermitteln sowohl Praktikerlnnen als auch Wissenschaftlerlnnen theoretische Orientierungen und handlungsre levantes Wissen. Renate Ortlieb Betrieblicher Krankenstand als personalpolitische Arena Eine Uingsschnittanalyse Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Gertraude Krell und Prof. Dr. Werner Nienhiiser Deutscher Universitats-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dissertation Freie Universitat Berlin, 2002 0188 1. Auflage Januar 2003 Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag GmbH, Wiesbaden, 2003 Lektorat: Brigitte Siegel I Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.9s unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dOrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN-13:978-3-8244-7786-6 e-ISBN-13:978-3-322-81477-7 001: 10.1007/978-3-322-81477-7 Geleitwort Der betriebliche Krankenstand ist ein umkampftes Terrain. Die iiffentliche Debatte ist gepragt von alltagstheoretischen Vorstellungen, gepaart mit Unterstellungen und Schuld zuweisungen, auf deren Basis dann rezeptartige Empfehlungen zur Senkung des Kran kenstandes ausgesprochen werden. Und die Personalwissenschaft tragt keineswegs durch gangig zu einer rationalen Diskursivierung bei. Die Debatte wird dominiert von wert durchtrankten, interessenlastigen Ursachenzuschreibungen und Gestaltungsvorschlagen. Qualitativ hochwertige theoretisch und empirisch gestiitzte Untersuchungen sind dage gen vergleichsweise rar. Zudem wird weniger iiber die situativen Einfiussfaktoren des Krankenstandes (z.B. die Arbeitsbedingungen) geforscht als iiber Korrelationen mit in dividuellen Merkmalen (z.B. Geschlecht, Alter, Arbeitszufriedenheit). Angesichts dieser Ausgangslage stellt die Arbeit von Renate Ortlieb einen Meilenstein der Krankenstandsforschung dar: Erstens nimmt Renate Ortlieb eine Langsschnittuntersuchung vor und betrachtet die Unterschiede im Krankenstand iiber einen sehr langen Zeitraum von bis zu vierzig Jahren. Zweitens liegt der Schwerpunkt ihrer Analyse nicht auf der Nationen-, Branchen-oder Individualebene, sondern auf der Ebene der Organisation bzw. einzelner Beschaftigten gruppen. Sie analysiert dabei vorrangig Situationskonstellationen, die unabhiingig von (oder in Interaktion mit) individuellen Unterschieden bei allen Personen Auswirkungen auf den Krankenstand haben. Drittens ist ihre Arbeit theoriegestiitzt. Renate Ortlieb greift auf ein austauschtheore tisches Modell zuriick, nutzt dieses fiir die Kohortenanalyse und stellt so die Verbindung von individueller Mikroebene mit der Mesoebene des betrieblichen und aul&erbetriebli chen Kontextes her. Viertens beschrankt sie sich nicht nur auf die notwendige Aufarbeitung des Forschungs standes, sondern sie rekonstruiert unter Riickgriff auf die Interessen und Positionen der relevanten Akteure die Debatte urn den betrieblichen Krankenstand (auch die sog. "Missbrauchsthese") aus einer politischen, ideologiekritischen Perspektive. Und fiinftens schlie/l,lich zeigt sie - ihren Erkenntnissen entsprechend - die Grenzen der Beeinfiussung von Fehlzeiten auf. Alles in allem handelt es sich urn eine Arbeit, die eine theoretische, eine empirische und eine kritisch-politische Dimension miteinander verkniipft - eine Verbindung, die (nicht nur) fiir die Personallehre wiinschenswert ist. VI GELEITWORT Gerade deshalb ist die Lektiire interessant und Gewinn versprechend fUr PraktikerIn nen, denen allzu oft vollmundig Patentrezepte zum Fehlzeitenmanagement angepriesen werden. Dariiber hinaus empfehlen wir das Buch allen Lehrenden und Studierenden der Wirtschaftswissenschaft - nicht nur wegen des spezifischen Themas, sondern auch und insbesondere wegen der spezifischen Perspektive, mit der das Thema "betrieblicher Krankenstand" in den Blick genommen wird. Gertraude Krell und Werner Nienhiiser Vorwort Die (Vor-)Arbeiten zu diesem Buch habe ich wiihrend meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitat Konstanz begonnen, an der Universitat-Gesamthoch schule Essen fortgesetzt und schliel&lich an der Freien Universitat Berlin beendet. Auf diesem Weg haben mich viele Person en begleitet, bei denen ich mich fUr ihre Unterstiit zung bedanken mochte: Meinen Doktoreltern, Gertraude Krell und Werner Nienhiiser, danke ich herzlich fUr ihre Forderung. Werner Nienhiiser hat in Konstanz und Essen das Thema der Arbeit angeregt und meine Herangehensweise wesentlich gepragt. Er hatte auch nach meinem Ortswechsel von Essen nach Berlin immer ein offenes Ohr fUr mich. Gertraude Krell danke ich besonders fUr konstruktive Riickmeldungen zu vorliiufigen Fassungen, die die Arbeit sehr bereichert haben. Danken mochte ich auch allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der verschiedenen Kolloquien in Essen, Liineburg und Berlin, die mich ermutigt und mir wertvolle Ratschla ge gegeben haben - namentlich Christina Becker, Albert Martin, Wenzel Matiaske, Florian Schramm und Jorg Sydow. Meinen Kolleginnen und Kollegen, vor allem Astrid Emmerich und Marcel Magnus, danke ich dafUr, dass sie meinen Arbeitsalltag gleichzeitig bereichert und mich von dessen Miihen entlastet haben, sowie fUr mehrere lustige Abende. Dies gilt auch und ganz besonders fUr Barbara Sieben, die mir beim Uberarbeiten des Textes unermiidlich mit ihrem unnachahmlichen Gespiir fUr das, was ich eigentlich schreiben wollte, zur Seite stand. Meiner Schwester Susanne Glandier danke ich fUr die Unterstiitzung bei der Daten beschaffung und das Mailen von ~'IEX-Tricks, meiner Schwester Cornelia Ortlieb fUr kulturgeschichtliche und andere geisteswissenschaftliche Anregungen. Meinem Vater Jiirgen Ortlieb danke ich fUr die Datenbeschaffung: fUr das Wiihlen nach Kisten, die auf dem Dachboden seines Unternehmens lagerten und einige Tausend Karteikarten bargen, die mir viel Datenstoff boten. In vielen Gesprachen hat er die Geschichte des Unternehmens und Schicksale der Beschaftigten rekonstruiert, was mir das Verstandnis vieler Zusammenhange iiberhaupt erst ermoglichte. Aul&erdem danke ich ihm und meiner Mutter Sybille Ortlieb fUr die generelle Unterstiitzung auf meinem gesamten Weg. Mein ganz besonderer Dank gilt den Personen, deren Daten ich analysieren konnte. VIII VORWORT Sie haben mir nicht nur das dafUr notige Vertrauen entgegengebracht, sondern sie ha ben mich auch in friiheren Jahren in ihre Arbeitswelt aufgenommen und mir gezeigt, wie es ist, in einer Fabrik mit Metall und Werkzeugmaschinen zu arbeiten. Denen, die noch im Unternehmen beschaftigt sind, wiinsche ich, dass sie die fortdauernden Restrukturierungs-Turbulenzen gut iiberstehen. Und schlielblich mochte ich mich noch bei meinem Partner Johannes Talirz fUr sein geduldiges Verstandnis und die vielen Aufmunterungen bedanken sowie bei meinem Sohn Philip fUr die Erfindung des Welleneffekts. Renate Ortlieb Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ............................................... XIII Tabellenverzeichnis ................................................... XV Kapitel 1 Einleitung ......................................... 1 Kapitel 2 Stand der Forschung ............................... 9 2.1 Definitionen und Begriffsabgrenzungen ................................................. 9 2.2 "KrankheitsbedingtE!' versus ,,rnotivationsbedingtE!' betriebliche Fehlzeiten: Uber die Existenz eines Verhaltensspielraumes .................................................. 15 2.3 Uberblick tiber deskriptive Statistiken zum AusmaJ5 und zu den Kosten des betrieblichen Krankenstandes ......................................................... 22 2.3.1 AusmaJ5 des betrieblichen Krankenstandes ....................................... 22 2.3.2 Kosten des betrieblichen Krankenstandes ........................................ 28 2.4 Theoretische Ansatze zur Erkliirung des betrieblichen Krankenstandes .................. 31 2.4.1 Implizite theoretische Ansatze ................................................... 32 2.4.1.1 Forschungsarbeiten, deren (expliziter) Untersuchungsgegenstand implizite Theorien sind ................................................... 33 2.4.1.2 Forschungsarbeiten ohne explizite theoretische Fundierung ................ 35 2.4.2 Explizite theoretische Ansatze ................................................... 39 2.4.2.1 bkonomische Ansatze .................................................... 40 2.4.2.1.1 Das neoklassische Modell des Arbeitsangebotes .................. 41 2.4.2.1.2 Effizienzlohntheoretische Ansatze ............................... 43 2.4.2.1.3 Agenturtheoretische und auf Informationsasymmetrien fokussierende Ansatze ........................................... 44 2.4.2.1.4 Zusammenfassende kritische Wtirdigung ........................ .46 2.4.2.2 Psychologische Ansatze .................................................. 48 2.4.2.2.1 Das Anwesenheitsmodell von Steers & Rhodes .................. 49 2.4.2.2.2 Sozialpsychologische und kulturorientierte Ansatze ............... 50 2.4.2.2.3 Stress- und belastungsorientierte Ansatze ....................... 51 2.4.2.2.4 Zusammenfassende kritische Wtirdigung ......................... 53 x INHALTSVERZEICHNIS 2.4.2.3 Soziologische Ansatze .................................................... 55 2.4.2.3.1 Der betriebssoziologische Ansatz von Dahrendorf ................ 55 2.4.2.3.2 Medizinsoziologische Ansatze .................................... 57 2.4.2.3.3 Zusammenfassende kritische Wiirdigung ......................... 58 2.5 Zusammenfassung ..................................................................... 59 Kapitel3 Betrieblicher Krankenstand als (personal-) politische Arena ................................ 61 3.1 Zur (personal-)politikorientierten Perspektive .......................................... 62 3.2 Akteurinnen und Akteure in der Arena des betrieblichen Krankenstandes .............. 66 3.3 Zur Missbrauchsthese ................................................................. 72 3.4 Die Positionen der zentralen Akteurinnen und Akteure ................................ 80 3.4.1 Die Position der Organisationsleitungen bzw. der Arbeitgeberverbiinde: ,,(Einige) Beschaftigte betreiben Missbrauch!" .................................... 80 3.4.2 Die Position der Beschaftigten bzw. der Gewerkschaften: ,,Die Arbeitsbedingungen machen krank!" ........................................ 87 3.4.3 Die Position des Staates: ,,100% Entgeltfortzahlung?" ............................ 90 3.5 Zusammenfassung ..................................................................... 92 Kapitel4 Methodischer und theoretischer Bezugsrahmen .. 95 4.1 Vorbemerkungen ...................................................................... 95 4.2 Methodischer Bezugsrahmen: Die Kohortenanalyse .................................... 99 4.3 Theoretischer Bezugsrahmen: Das Konzept von Gibson .............................. 104 4.3.1 Definition von krankheitsbedingtem Fehlen ..................................... 105 4.3.2 Krankheitsbedingtes Fehlen als legitimes Verhalten ............................. 106 4.3.3 Die Beziehung zwischen Individuum und Organisation: Formaler und psychologischer Vertrag ........................................................ 107 4.3.4 Kritische Wiirdigung ........................................................... 112 4.4 Integration des methodischen und des theoretischen Bezugsrahmens .................. 126 4.4.1 Betriebszugehiirigkeitsdauereffekt ............................................... 127 4.4.2 Periodeneffekt .................................................................. 132 4.4.3 Kohorteneffekt ................................................................. 134 4.5 Untersuchungshypothesen ............................................................ 135
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