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Ästhetische Erfahrung und gesellschaftliches System: Untersuchungen zu Methodenproblemen einer materialistischen Literaturanalyse am Spätwerk Walter Benjamins PDF

167 Pages·1975·24.3 MB·German
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Ästhetische Erfahrung und gesellschaftliches System Helmut Ffotenhauer Astherische Erfahrung und gesellschaftliches System Untersuchungen zu Methodenproblemen einer materialistischen Literaturanalyse am Spätwerk Walter Benjamins ]. B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung Stuttgart Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Sie geht zurück auf Vorstudien zum seihen Thema, die unter dem Titel »Die Aktualisierung vergangener ästhetischer Erfahrungen als Aufgabe und Pro blem einer materialistischen Literaturinterpretation. Untersuchungen zum Spät werk Walter Benjamins« kürzlich als Beitrag zu dem Band >>Literaturwissen schaft und Sozialwissenschaften 4<<, Stuttgart 1974, veröffentlicht wurden. Gegenüber dem Aufsatz wurden erhebliche Erweiterungen und Veränderungen vorgenommen. Für Unterstützung der Arbeit und Kritik hat der Verfasser insbesondere Kurt Wölfe! und Heinz Schlaffer zu danken. D29 ISBN 978-3-476-00303-4 ISBN 978-3-476-03045-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03045-0 © 1975 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1975 Inhalt Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Benjamins geschichtsphilosophische Überlegungen zur Aufgaben- stellung materialistischer Interpretation . . . . . . . . . . . . 4 1. Stillstand und geschichtliche Kontinuität. Der historische Mate rialismus als Kritik bürgerlicher und vulgärmarxistischer Ge- schichtsauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Zum Problem von Benjamins Begriff historisch-materialistischer Interpretation . . . . 11 II. über Charles Baudelaire 29 1. >>Das Paris des Second Empire bei Baudelaire<< 29 a) >>Die Moderne<< . . . . . . . . . . . . 29 b) >>Die Boheme<<, Kritik und Bedeutung ästhetisierender Wirklich- keitsauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Die Physiognomie des Flaneurs . . . . . . . . . . . 40 d) Die Fragwürdigkeit von Benjamins Interpretationsweise 44 2. Die >>Dialektik im Stillstand<< . . . . . . . . . . . . . 59 a) Ästhetische Bildphantasie und Warenfetischismus . . . 59 b) Der Traum der Epoche und die Entwicklungstendenz zum Er- wachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Strukturwandel der Erfahrung und Auraverlust der Kunst . 70 a) Theorie des Erfahrungsverlusts . . . . . . . 72 b) >>Chokrezeption<< und Wirkungsmöglichkeiten der Kunst im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit . . 76 4. Kulturindustrie und esoterische Kunst. Zu Adornos Benjamin- Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Heteronomie und Autonomie der Kunst in der Moderne . 84 b) Geschichtsphilosophie und Ästhetische Theorie 89 Exkurs . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Zur Relativierung kunstphilosophischer Positionen. Benjamins Arbeiten über Brecht und Kafka . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Kommentare zu Brecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Verwissenschaftlichung und Entprivatisierung der ästhetischen Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Zu den historischen Voraussetzungen . . . . . . . . 107 c) Intention und Implikationen der Kommentare zu Brecht 112 2. Kafka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 VI Inhalt Anmerkungen . 120 Verzeichnis der zitierten Literatur . 153 1. Primärliteratur . . . . . . . 153 2. Sekundärliteratur zu Benjamin und allgemeine Literatur 155 Namenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Vorbemerkung Benjamins Philosophie und seine philosophisch geleiteten Interpre tationen kultureller Phänomene stehen zur Marxschen Theorie der Gesellschaft in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis. Die vor liegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, dem genauer nachzugehen. - über Benjamin schreibt Adorno, daß er unbeirrt zu seinem Grundsatz gestanden habe, >>die kleinste Zelle angeschauter Wirklichkeit wiege den Rest der ganzen Welt auf«. [1] Diese Bemerkung mag als vor läufige Charakterisierung gelten. Marx aber - so läßt sich wohl jen seits der Kontroverse über die Interpretation seiner Theorie sagen - macht es sich zur Aufgabe, die der bürgerlichen Gesellschaft zugrunde liegenden allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiteil darzustellen. Die ein zelne Erscheinung figuriert nur als Moment des sozialen Mechanismus. Als einzelne in ihrer unverwechselbaren Besonderheit gibt sie gerade keine Auskunft über den wahren Zustand der geschichtlichen Welt. Daraus könnte man folgern, daß nicht die »kleinste Zelle<< selbst geschichtsphilosophisch bedeutsam sei, sondern eben jene allgemeinen Gesetze, die sie zusammen mit den anderen historischen Phänomenen bestimmen. Gleichwohl verstand sich Benjamin in den späteren Jahren seiner Produktion als historischer Materialist. Noch die »kleinste Zelle<< müßte ihm also gerade im Sinne der Marxschen Gesellschaftstheorie in einer nicht vernachlässigbaren Weise aufschlußreich erschienen sein. Unmittelbar evident jedoch ist der Zusammenhang nicht, in den Ben jamin beide Motive historischer Interpretation zu bringen versucht. Ihrer vorläufigen Kennzeichnung zufolge wirkt die Annahme ihrer Divergenz plausibler. Benjamins Bemühen, beides miteinander zu ver binden, ergibt denn auch den fragwürdigsten Aspekt seines Spätwerks. Wenn man dieses zu charakterisieren versucht, liegt es daher nahe, eine jener beiden Intentionen als die allein wesentliche hervorzuheben. Die jeweils andere wäre dann zu vernachlässigen oder sie wäre als Ver irrung zu nehmen, welche der wahren Absicht des Autors nur abträgEch sein könne. Zweifellos bleibt aber eine solche Einstellung gegenüber Ben jamins Spätwerk so lange unbefriedigend, so lange nicht geklärt ist, ob entgegen dem Augenschein nicht doch sachliche Gründe dafür sprechen, 2 Vorbemerkung Benjamins Arbeiten als einen Vermittlungsversuch ernst zu nehmen zwischen der Theorie des historischen Materialismus und dem Interesse am Verständnis derjenigen Phänomene, deren aktuelle Bedeutung ange sichts der allgemeinen Bewegungsgesetze gesellschaftlicher Reproduktion zunächst unabsehbar ist. Die vorliegende Untersuchung geht davon aus, daß es diese sachlichen Gründe gibt. Die Behauptung ist im weiteren zu belegen. Eine ganz allgemeine Überlegung zur Problemstellung gesellschafts theoretisch fundierter Erklärung historischer Phänomene kann für die Legitimität dieser Annahme vorläufig einen Anhaltspunkt geben. Eine materialistisch orientierte Interpretation nämlich wird wie gesagt bestrebt sein, ihre Gegenstände aus den generellen, regelnden Prin zipien des gesellschaftlichen Lebens zu erklären und aufzuzeigen, daß sie aus sich selbst, etwa als autonome ästhetische Gebilde, nicht zu reichend begriffen werden können. Eine solche Analyse muß aber immer in Rechnung stellen, die Besonderheit der untersuchten Erscheinungen zu verfehlen, das also, was diese von anderen unterscheidet, auch wenn sie in letzter Instanz alle gleichermaßen in Bezug zu setzen sind zu den zugrunde liegenden gesellschaftlichen Mechanismen. Dies gilt gerade für die als Beispiel genannten ästhetischen Produkte. Sie zeichnen sich durch die für sie konstitutive Distanz zur alltäglichen Lebenspraxis aus. Wenn nun auch diese Distanzierung selbst als gesellschaftlich veranlaßt begriffen werden kann, so ist Kunst doch nicht unmittelbar verständlich als Moment der gesellschaftlichen Reproduktion, ist nicht schlicht gleich zusetzen mit anderen Momenten, die in diesem sozialen Funktions zusammenhang bruchlos aufgehen. Darauf wird im folgenden zurück zukommen sein. Wenn dem aber so ist, wäre die Ableitung aus über geordneten, generellen Prinzipien unzulänglich, weil sie ihren besonde ren Gegenstand lediglich dem vorab schon gewußten Allgemeinen zuordnete. Sie unterstellte in sachlich fragwürdiger Weise, daß seine spezifischen Eigenschaften gegenüber seiner allgemeinen gesellschafts theoretischen Charakteristik redundant seien. Will man dem begegnen, so ist es durchaus im Sinne einer auf die Marxsche Theorie ausgerichteten Interpretation, nach Möglichkeiten der Verbindung mit anderen Inter pretationsvorhaben, wie dem angedeuteten von Benjamin, zu suchen. Benjamins Werk wird so gesehen eben deshalb interessant, weil es solche Zusammenhänge herzustellen beansprucht. Es ist eine These, die im Verlauf der Untersuchung erhärtet werden soll, daß diesem Anspruch gerecht zu werden geradezu als ein treibendes Motiv im Reflexions prozeß verstanden werden kann, den Benjamins Spätwerk repräsentiert, und daß sich daraus zum einen Handhaben für dessen Verständnis ergeben, zum anderen aber auch einige Aufschlüsse über die Kompetenz und Grenzen einer materialistischen Interpretation ästhetischer Phäno- Vorbemerkung 3 mene zu gewinnen sind. -Dabei soll nicht der Umstand aus dem Auge verloren werden, daß jene polaren interpretatorischen Intentionen in Benjamins intellektueller Biographie durchaus unterschiedlichen Ur sprungs sind. Sie dürfen keineswegs nur als die Konsequenz aus syste matischen Reflexionen auf die Leistungsfähigkeit marxistischer Kunst theorie begriffen werden. Es wird zu berücksichtigen sein, daß von der Marxschen Theorie her gesehen eher apokryphe philosophische Motive für Benjamin von Bedeutung sind, die schließlich aber doch mit ihr in Verbindung gebracht werden. Zu klären ist, inwieweit diese Verbindung tatsächlich den Versuch einer reflektierten Vermittlung darstellt oder aber nur einen unvermittelten Bezug, welcher dann über das von Benja min Explizierte hinaus soweit möglich in seinem Sinn zu rekonstruieren bzw. einer Kritik zu unterziehen wäre. In jedem Fall aber könnten sich in Anbetracht der oben skizzierten Fragestellung und der zu erwarten den Schwierigkeit ihrer Lösung gerade die von Benjamin angestellten oder veranlaßten unorthodoxen Überlegungen als fruchtbar erweisen. Da die vorliegende Arbeit die Eigenart solcher Überlegungen Ben jamins unter dem Gesichtspunkt jener allgemeinen Problematik unter suchen will, erscheint es nicht zweckdienlich, den Gang der Analyse allein auf die Abfolge der Entstehung von Benjamins Arbeiten aus zurichten. Vielmehr soll gezeigt werden, wie weit es möglich ist, das Spätwerk Benjamins nach den Aspekten der genannten Problemstellung und den Stadien der Auseinandersetzung mit dieser Frage zu gruppieren. Zunächst jedoch ist die Problemstellung selbst in ihrer allgemeinen geschichtsphilosophischen und interpretationstheoretischen Fassung an hand verschiedener späterer Arbeiten Benjamins zu verdeutlichen. I. Benjamins geschichtsphilosophische Überlegungen zur Aufgabenstellung materialistischer Interpretation 1. Stillstand und geschichtliche Kontinuität. Der historische Materialis mus als Kritik bürgerlicher und vulgärmarxistischer Geschiehtsauffas sungen Seinen Aufsatz über Eduard Fuchs beginnt Benjamin mit der Aus legung eines Engelszitats. Von Engels wird in einem Brief aus dem Jahre 1893 der >>Schein einer selbständigen Geschichte der Staatsver fassungen, der Rechtssysteme, der ideologischen Vorstellungen [ ... ] , der die meisten Leute<< blende, kritisiert. Die >>Sprengkraft dieser Gedanken<< erblickt Benjamin darin, daß sie die geisteswissenschaftliche Vorstellung von der >>Geschlossenheit<< kultureller Gebilde, von ihrem eigenständigen, nicht an den gesellschaftlichen Produktionsprozeß gebun denen Dasein in Frage stellen. [1] - Es liegt nahe, dabei an den Marxschen Satz über die Abhängigkeit des Bewußtseins vom gesell schaftlichen Sein zu denken. [2] Er benennt Prämissen der Kritik an jener Vorstellung. Die Phänomene des >>Überbaus<< lassen sich ihm zufolge in ihrem wahren Sinn erst erschließen, wenn man sie zurück führt auf ihre >>Basis<<, um aus dieser ihr eigentliches Wesen zu erklären. Der Schein ihrer unverwechselbaren Besonderheit und eigenständigen Geltung wäre so gesehen als Ideologie identifizierbar, der gegenüber die Herleitung ihrer geschichtlichen Bedeutung aus allgemeinen Prinzipien historischer Entwicklung einen unverstellten Blick auf ihre geschicht liche Existenz ermöglichte. Nicht immanent und ihrer behaupteten Eigen art entsprechend wären die einzelnen Bewußtseinsphänomene zu begrei fen, sondern durch die Aufklärung der ihnen gemeinsam zugrunde liegenden Gesetze gesellschaftlichen Verkehrs. Benjamin freilich setzt den Akzent bei seiner Interpretation des Engelszitates anders. Die Geschlossenheit der genannten Gebiete - dar unter auch der Kunst und ihrer Werke - in Frage stellen heißt für ihn, sich bewußt zu machen, wie die Funktion solcher Werke, >>ihren Schöp fer zu überdauern, seine Intentionen hinter sich zu lassen vermag; wie die Aufnahme durch seine Zeitgenossen ein Bestandteil der Wirkung ist, die das Kunstwerk heute auf uns selber hat, und wie die letztere auf der Begegnung nicht allein mit ihm, sondern mit der Geschichte beruht, die es bis auf unsere Tage hat kommen lassen.<< Goethe, so fährt Benjamin fort, habe diesen Sachverhalt in den Satz gefaßt, daß alles, 'V:ts eine große Wirkung getan habe, eigentlich gar nicht mehr beurteilt

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