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Adorno-Handbuch: Leben — Werk — Wirkung PDF

581 Pages·2011·5.59 MB·German
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Herausgegeben Adorno- von Richard Klein, Johann Kreuzer und Handbuch Stefan Müller-Doohm Leben – Werk – Wirkung Verlag J. B. Metzler Stuttgart · Weimar Die Herausgeber Richard Klein, Herausgeber von Musik & Ästhetik Johann Kreuzer, Professor für Geschichte der Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Leiter der dortigen Adorno- Forschungsstelle Stefan Müller-Doohm, Em. Professor für Soziologie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Gründer der dortigen Adorno-Forschungsstelle Bibliografische Information der Deutschen National- bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über © 2011 Springer-Verlag GmbH Deutschland http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2011 ISBN 978-3-476-02254-7 ISBN 978-3-476-05329-9 (eBook) www.metzlerverlag.de DOI 10.1007/978-3-476-05329-9 [email protected] Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. V Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Schönberg und die Folgen (Ludwig Holtmeier/Cosima Linke). . . . . . . . . . . . 119 Werkübersicht und Siglenverzeichnis . . . . . IX Neoklassizismus als andere Moderne: Strawinsky und Ravel I. Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 (Gustav Falke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Versuch eines Portraits Interpretation, Reproduktion (Stefan Müller-Doohm). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 (Reinhard Kapp). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Im Exil Filmmusik (Sven Kramer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 (Felix Diergarten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Traumprotokolle Musikpädagogik nach 1945 (Stefan Müller-Doohm). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 (Jürgen Vogt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Musik und Sprache II. Voraussetzungen, (Susanne Kogler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Wahlverwandtschaften . . . . . . . . . . . . 21 Der erste Mentor: Siegfried Kracauer (Stefan Müller-Doohm/Wolfgang Schopf) . . . . . . 21 IV. Literatur und Sprache . . . . . . . . . . . . . . 175 Tod und Utopie: Ernst Bloch, Georg Lukács Goethe: Dialektik des Klassizismus (Hans-Ernst Schiller). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 (Thomas Zabka). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 »Widerstand gegen die Gewalt des Bestehenden«: Hölderlin: Parataxis Max Horkheimer (Johann Kreuzer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (Gunzelin Schmid Noerr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Adorno als Leser Heines (Peter Uwe Hohendahl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Lyrik und Gesellschaft Der Fortschritt des Materials (Sven Kramer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (Gunnar Hindrichs). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Kafka-Lektüre Die Frage nach der musikalischen Zeit (Sonja Dierks). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (Richard Klein). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Beckett als philosophische Erfahrung Die philosophische Kritik der (Wolfram Ette) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 musikalischen Werke Thomas Mann (Guido Kreis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (Hans Rudolf Vaget) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Modellfall der Philosophie der Musik: Beethoven (Hans-Joachim Hinrichsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Soziale vs. musikalische Kritik: Methode Der Fall Wagner (Jürgen Ritsert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (Richard Klein). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Kritische Theorie und empirische Sozial- Wahlverwandtschaft: Gustav Mahler forschung – ein Spannungsverhältnis (Peter Uehling) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (Wolfgang Bonß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 VI Inhalt Zeitdiagnose Ästhetische Theorie (Dirk Braunstein/Stefan Müller-Doohm) . . . . . . 248 (Ruth Sonderegger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Ambivalenzen der Kulturindustrie Essay und System (Angela Keppler). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (Ruth Sonderegger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Radio Theory (Larson Powell). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 VII. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Thesen zum Antisemitismus Deutschland I: Der exemplarische (Micha Brumlik). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Intellektuelle der Bundesrepublik »Ende des Individuums« (Christian Schneider). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 (Markus Schroer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Deutschland II: Philosophische plus Die Wunde Freud politische Resonanz (Christian Schneider). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (Richard Klein). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Theologie und Messianismus Deutschland III: Die Spur der Ästhetik (Micha Brumlik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 der Musik (Richard Klein). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 VI. Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Großbritannien (Christian Skirke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 »Großartige Zweideutigkeit«: Kant (Josef Früchtl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Italien (Marina Calloni) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Negative Dialektik: Kritik an Hegel (Tilo Wesche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Spanien (José A. Zamora) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 Intermittenz und ästhetische Konstruktion: Kierkegaard USA (Lore Hühn/Philipp Schwab). . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (Larson Powell). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Materialismus: Kritische Theorie Brasilien nach Marx (Rodrigo Duarte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 (Ulrich Ruschig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Antidialektik und Nichtidentität: Nietzsche VIII. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 (Adrián Navigante) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Zeittafel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Metakritik der Erkenntnistheorie: Husserl Vorlesungen und Seminare . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 (Petra Gehring) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 Dialektik oder Ontologie: Heidegger Leben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (Tilo Wesche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Voraussetzungen, Wahlverwandtschaften. . . 488 Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 Das Gespräch mit Benjamin Literatur und Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (Johann Kreuzer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Dialektik der Aufklärung Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 (Andreas Hetzel). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 Negative Moralphilosophie Nachtrag zum Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 (Gerhard Schweppenhäuser). . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Die Autorinnen und Autoren. . . . . . . . . . . . . . . . 551 Metaphysik und Metaphysikkritik Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 (Georg W. Bertram). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 VII Vorwort Eigentlich ist dieses Handbuch keines. Jedenfalls nahme hie, Kritik und Neudeutung da sind die nicht in dem Sinne, dass hier eine Philosophie, die Axio me des Unternehmens, in dem es primär nicht »wesentlich nicht referierbar« ist, in kleine, verdauli- um eine Auslegung heiliger Texte geht, sondern um che Portionen aufgeteilt würde, um für den Leser so die Konstruktion der Problemstellungen und Denk- leicht wie nur möglich konsumierbar zu sein. Sol- möglichkeiten, die in diesen Texten enthalten oder chen Bedürfnissen steht bereits das äußere Format zumindest angelegt sind. Weder skrupulöse Philo- entgegen, das eher dem katholischen Messevange- logie noch zupackendes Regietheater allein können lium ähnelt als jener Ratgeberliteratur, die sich vom freilich plausibel machen, warum genau Adornos Ideal der Handlichkeit leiten lässt. Aber auch in der Denken in mancher Hinsicht historisch, vergangen Sache steht keine Feier der lexikalischen Vernunft und »überholt« scheint und in anderer dagegen ak- auf dem Programm, die zur »Vergegenständlichung« tuell, offen und zukunftsträchtig ist – und wie das einer Sache nötigte, die »schlechthin« nicht gegen- eine vom anderen kritisch unterschieden werden ständlich ist. Vielmehr geht unsere Absicht in Rich- kann. Diese Differenz jedoch ist der Punkt, auf den tung einer kritischen Hermeneutik, die sich der Ent- es ankommt. Er kann nur am konkreten Fall und mit zugskraft unseres Sujets ebenso bewusst ist wie der pluralen Ansätzen dargelegt werden. Grenzen der eigenen Reichweite. Adorno selbst hat Unarten der Rezeption gab es genug. Wer den einmal, erstaunlich genug, die »Erleichterung, wel- Künstler zu sehr lobt, nimmt den Philosophen nicht che die Lexika bieten«, als »unschätzbar« (GS 11: ernst genug, und wer die Musik aus Adornos Den- 351 f.) gerühmt. Nun drückt das gewiss mehr seinen ken entfernt, versperrt sich damit den Zugang zu ja durchaus vorhandenen Respekt vor »hartem Wis- dessen geistigem Kern. Das Potential des Adorno- sen« aus, als dass er eine solche Vorgehensweise im schen Denkens liegt in seinem »interdisziplinären« Ernst als philosophiegemäß akzeptiert hätte. Wir tun Charakter, d. h. in der Verschränkung von Kunst, re- jedenfalls gut daran, seine Skepsis gegenüber syste- spektive Musik, Philosophie und Wissenschaft, im matischen Darstellungsformen so gewichtig zu neh- kritischen Übergang dieser Sphären ineinander, men, wie sie es verdient, auch wenn wir ihr vielleicht nicht in ihnen allein und für sich. Der Sache nach ist nicht immer und ohne weiteres zu folgen vermögen. dies weniger geläufig, als es klingt. Zwar führt man Verlangt die historische Distanz vom Interpreten seit je idealisierend Sätze im Munde wie, Adorno doch beides: das Versenken in das Besondere, In- habe »virtuos« Fachgrenzen überschritten, aber die nere, im genauen Sinn Eigenartige des Objekts wie theoretischen und praktischen Konsequenzen sol- die Notwendigkeit eines externen Standpunkts, d. h. cher Einsicht sind bis heute gering geblieben. von Distanz. Um das zu ändern, ist es auch wichtig, dass sich Insofern lässt sich die Rede vom Handbuch wohl die Diskussion um Adorno keine programmatischen doch rechtfertigen, als sie nicht die Verbreitung ei- oder gar schulbedingten Verengungen auferlegt, ner kodifizierten Lehre meint, wie sie in einer Schul- sondern so breit wie möglich – aber auch so be- kladde niedergelegt wird, sondern den Versuch, ent- stimmt als nötig – ansetzt. Dass in diesem Buch sehr lang der Unterscheidung von historischem und ge- verschiedene Zugangsweisen und Temperamente genwärtigem Gehalt ein möglichst vielseitiges und präsent sind, entspringt weniger einem Faible der komplexes Bild des Gegenstands zu entwerfen. For- Herausgeber für das Bunte und Vielfältige, wie es schung wird ebenso zusammengefasst und propä- nun einmal vorliegt, als der Aufmerksamkeit für die deutisch fundiert wie selbst betrieben. Je nach Inter- Spannungen des Adornoschen Denkens selbst und esse des Autors ist das im einen Fall mehr historisch, ihres wirkungsgeschichtlichen Niederschlags. Die auf die Darstellung der Intentionen des Philosophen Gewichte haben sich nachhaltig verschoben: weg bezogen; im anderen Fall ergreift es zeitgenössische von einem innermarxistischen Streit um Theorie Anschlussmöglichkeiten, um zu schaffen, was zuvor und Praxis (siebziger Jahre) über Kantische und nicht da war. Dokumentation und Bestandsauf- rationalitätstheoretische Domestizierungsversuche, VIII Vorwort aber auch einzelne originelle Neuansätze (achtziger führten Lücken sind unterschiedlich. Auf einen Bei- Jahre) hin zu einer sukzessiv anwachsenden herme- trag über den Komponisten Adorno, der länger zur neutischen Pluralisierung, die Adorno immer wie- Debatte stand, mussten wir am Ende verzichten, da der neu sehen und begreifen lässt (seit Anfang bis sich kein Konzept fand, das über bislang Publiziertes Mitte der neunziger Jahre). Dass der Kollaps von La- hinauszugehen versprach. Die Polemiken gegen den germentalitäten ein gewisses Maß an entpolitisier- Jazz und die Unterhaltungsmusik erschienen bereits tem Akademismus mit sich führt, trifft wohl zu, än- ein wenig zu »historisch«, als dass sich der Funke dert aber nichts daran, dass die Freiheit gegenüber hermeneutischer Aktualität aus ihnen noch hätte Adorno unterm Strich heute größer sein dürfte als in schlagen lassen können. Verglichen damit ist das den Jahren nach seinem Tod oder noch in der Zeit Buch über Filmmusik immerhin in Kreisen der der ersten Symposien. »Nouvelle Vague« rezipiert worden. Schubert, Das Handbuch gliedert sich (vom »Anhang« ab- Strauss, Berg und Webern, auch Proust fielen der gesehen) in sieben Bereiche mit insgesamt 55 Tex- schmerzlichen Notwendigkeit, Umfänge zu begren- ten: »Leben«, »Voraussetzungen. Wahlverwandt- zen, zum Opfer. Dass kein Beitrag über Adorno und schaften«, »Musik«, »Literatur und Sprache«, »Ge- die Oper dabei ist, mag man besonders bedauern, sellschaft«, »Philosophie«, »Wirkung«. Gliederung weil sich bei diesem Thema ästhetische und histori- und Bereichstitel dienen einer ersten, funktionalen sche Aspekte bündeln und bei genügender Befas- Übersicht, sie signalisieren nicht eo ipso ein syste- sung reiche Ausbeute versprechen. Auch »materia- matisches Programm. Die Beiträge in »Musik«, »Li- listische Erkenntniskritik« wäre ein lohnendes, aller- teratur und Sprache«, um von »Gesellschaft« zu dings schwieriges Thema gewesen; vielleicht war die schweigen, sind im Prinzip ebenso philosophisch Suche nach einem geeigneten Autor darum ebenso orientiert wie diejenigen, welche offiziell unter »Phi- wenig von Erfolg gekrönt wie beim strukturellen losophie« zusammengefasst werden, während auch Hören, das als ästhetische Haltung, als Ethos immer die Titel dort häufig auf jene anderen Bezug neh- noch etwas Rätselhaftes und auch Rationalistisches, men. Biographisches findet sich nicht bloß in dem fast Musikfremdes an sich hat, oder beim Körper, Part, der mit »Leben« übertitelt ist, sondern auch der paradoxerweise darum so sehr von Interesse ist, unter dem Stichwort »Musik«. Über Lukács, Bloch weil der Materialist Adorno ihn fast durchgängig und Horkheimer hätte man ebenfalls im Namen der übergeht. Last but not least hätten feministische »Philosophie« schreiben können, wie ja auch Benja- Analysen zeigen können, wie sich von Adorno Kritik min bei der Abteilung »Wahlverwandtschaften« der Identität lernen lässt, indem man sie zugleich kaum schlechter aufgehoben gewesen wäre als da, kritisiert und erweitert. Vielleicht wäre sogar Hans wo er seinen Platz schließlich bekommen hat. Cornelius, der neukantianische Lehrer des jungen Gleichwohl ist ein solcher Aufbau nicht einfach nur Theodor Wiesengrund, kein gänzlich uninteressan- kontingent oder gar beliebig, wird durch ihn doch tes Thema gewesen. Aber all das war nicht realisier- eigens architektonisch herausgestellt, dass Adorno bar, jedenfalls nicht in der Zeitspanne, die zur Verfü- zwar die Fächergrenzen souverän missachtet, der gung stand. Und Vollständigkeit anzustreben konnte »interdisziplinären« Ausrichtung seines Denkens unser Ding nicht sein. Freilich führen diese Lücken zum Trotz aber dann doch auf fundamentalphiloso- eindrucksvoll vor, welches Ausmaß an Reflexions- phischen Ansprüchen besteht. potential bei Adorno weiter auf ein kritisches Ver- Dass eine ganze Reihe von Themen unberücksich- ständnis wartet. Angesichts dessen stellt die Rede tigt geblieben ist, lässt sich kaum leugnen. Es sind vom »Tod der kritischen Theorie«, die ja in gewissen zumal folgende: Proust, Valéry, der Erzähler im zeit- Abständen vernehmlich auf dem Marktplatz tönt, genössischen Roman, Franz Schubert, Richard eher eine propagandistische Nummer, fast möchte Strauss, Alban Berg, Anton Webern, der Komponist man sagen einen kontrafaktischen Effekt dar als eine Adorno, die Oper, der Jazz, die Popularmusik, das Beschreibung historischer Realität. Es war schon im- strukturelle und das regressive Hören, die materia- mer schwer, die Ressentiments anderer zu verhan- listische Erkenntniskritik, die feministische Rezep- deln, ohne von den eigenen ereilt zu werden. tion, der Körper und auch das Tier – ein Thema, Großer Dank gilt Bettina Schergaut (Freiburg) für dessen besonderes Gewicht Jacques Derrida in sei- zahlreiche Hinweise und Vorschläge zum Literatur- ner Dankesrede zur Verleihung des Adornopreises verzeichnis; Ingo Elbe (Oldenburg) löste die künstle- 2001 herausgestellt hat. Die Gründe für die ange- risch unbefriedigende Aufgabe, das Register zu er- Vorwort IX stellen, so geduldig wie effektiv; Dirk Braunstein der Arbeit am Handbuch. Schließlich war Oliver (Bochum) lieferte Insidertipps, ohne die das Ver- Schütze vom Metzler-Verlag, zumal während des re- zeichnis der Frankfurter Lehrveranstaltungen weni- spektablen Stresstests in der Zielgeraden, ein so ge- ger informativ ausgefallen wäre; Michael Schwarz lassener wie verlässlicher Ansprechpartner. vom Walter Benjamin Archiv in Berlin gab wie im- mer bereitwillig und zuverlässig Auskunft. Martin Horben und Oldenburg, im August 2011 Uhlenbrock (Freiburg) erwies sich als das Adlerauge, das seinen Namen mit Recht trägt. Dank gilt über- Richard Klein, Johann Kreuzer, dies der EWE-Stiftung Oldenburg für die Förderung Stefan Müller-Doohm X Werkübersicht und Siglenverzeichnis GS = Gesammelte Schriften Bd. 12: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt a. M. NL = Veröffentlichungen aus dem Nachlass 1975. BW = Briefwechsel Bd. 13: Die musikalischen Monographien: Versuch FAB = Frankfurter Adorno Blätter über Wagner/Mahler. Eine musikalische Physio- gnomik/Berg. Der Meister des kleinsten Übergangs. Frankfurt a. M. 1971. I. Gesammelte Schriften Bd. 14: Dissonanzen. Einleitung in die Musiksoziolo- gie. Frankfurt a. M. 1973. Hrsg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung v. Gretel Bd. 15: Theodor W. Adorno und Hanns Eisler: Kom- Adorno, Susan Buck-Morss u. Klaus Schultz. Bde. position für den Film. Theodor W. Adorno: Der 1–20 (in 23 Bdn. geb.). 1. Auflage: Frankfurt a. M. getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musika- 1970–1986. Taschenbuchausgabe: Frankfurt a. M. lischen Praxis. Frankfurt a. M. 1976. 1997. 2. Auflage 2004. Bd. 16: Musikalische Schriften I-III: Klangfiguren (I). Quasi una fantasia (II). Musikalische Schriften III. Zitiert wird im Handbuch mit dem Kürzel GS und Frankfurt a. M 1978. der Angabe von Band- und Seitenzahl: z. B. GS 8: 78, Bd. 17: Musikalische Schriften IV: Moments musi- die Doppelbände zusätzlich mit der Angabe der je- caux. Impromptus. Frankfurt a. M. 1982. weiligen Hälfte: z. B. GS 20/2: 24. Bd. 18: Musikalische Schriften V. Hrsg. v. Rolf Tiede- Bd. 1: Philosophische Frühschriften. Frankfurt a. M. mann u. Klaus Schultz. Frankfurt a. M. 1984. 1973. Bd. 19: Musikalische Schriften VI. Hrsg. v. Rolf Tie- Bd. 2: Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen. demann u. Klaus Schultz. Frankfurt a. M. 1984. Frankfurt a. M. 1979 Bd. 20/1: Vermischte Schriften I. Frankfurt a. M. 1986. Bd. 3: Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dia- Bd. 20/2: Vermischte Schriften II. Frankfurt a. M. lektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. 1986. Frankfurt a. M. 1987. Bd. 4: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschä- digten Leben. Frankfurt a. M. 1980. II. Nachgelassene Schriften Bd. 5: Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Drei Stu- dien zu Hegel. Frankfurt a. M. 1970. Hrsg. vom Theodor W. Adorno Archiv Bd. 6: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. Zitiert wird mit dem Kürzel NL sowie der Angabe Frankfurt a. M. 1973. von Abteilungs-, Band- und Seitenzahl: z. B. NL 1/3: Bd. 7: Ästhetische Theorie. Hrsg. v. Gretel Adorno 225 oder NL 4/13: 109. und Rolf Tiedemann. Frankfurt a. M. 1970. Bd. 8: Soziologische Schriften I. Frankfurt a. M. 1972. Bd. 9/1: Soziologische Schriften II. Erste Hälfte. Hrsg. Abteilung 1: Fragment gebliebene Schriften v. Susan Buck-Morss u. Rolf Tiedemann. Frank- furt a. M. 1975. Bd. 1: Beethoven. Philosophie der Musik. Fragmente Bd. 9/2: Soziologische Schriften II. Zweite Hälfte. und Texte. Hrsg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt Hrsg. v. Susan Buck-Morss u. Rolf Tiedemann. a. M. 1993. Frankfurt a. M. 1975. Bd. 2: Zu einer Theorie der musikalischen Reproduk- Bd. 10/1: Kulturkritik und Gesellschaft I: Prismen. tion. Aufzeichnungen, ein Entwurf und zwei Sche- Ohne Leitbild. Frankfurt a. M. 1977. mata. Hrsg. v. Henri Lonitz. Frankfurt a. M. 2001. Bd. 10/2: Kulturkritik und Gesellschaft II: Eingriffe. Bd. 3: Currents of Music. Elements of a Radio Theory. Stichworte. Frankfurt a. M. 1977. Hrsg. v. Robert Hullot-Kentor. Frankfurt a. M. Bd. 11: Noten zur Literatur. Frankfurt a. M. 1974. 2006.

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